Du und dein Auto auf der Bundesstraße. Rasante 95 km/h. Du genießt die freie Fahrt. Die Straßenverkehrsordnung ist auf deiner Seite. Plötzlich vor dir ein Kleinwagen, älteres Baujahr, maximal 70 km/h auf dem Tacho. Du musst bremsen. Sonntagsfahrer", denkst du.
Und bist schon im Ärgermodus . Weil der andere langsam fährt, musst du bremsen. "Der ist schuld, wenn ich zu spät komme", denkst du und spürst, wie Angst aufsteigt. Der Blick des Chefs, das Naserümpfen der Kollegen. Du kennst das nur zu gut. Und neben der Angst spürst du vielleicht auch noch Schuld und Scham.
Du bist überzeugt: Wäre der andere anders (in dem Fall: schneller), wäre alles prima. Es liegt also allein an der anderen Person, dass du ein Problem hast. „An mir liegt‘s nicht. Der Andere ist einfach (zu) langsam.“ Und spätestens jetzt bist du mitten im Konflikt.
3 Voraussetzungen für einen Konflikt
Ein Konflikt liegt vor, wenn bei einer Interaktion (I) ein Unterschied (U) auftritt, den mindestens eine der beteiligten Parteien als eine gefühlte Benachteiligung (B) wahrnimmt. Als mathematische Formel: Konflikt = Interaktion + Unterschied + Benachteiligung
(kurz: K = I + U + B)
Daraus können wir ableiten: Ein Konflikt liegt nur dann vor, wenn alle drei Voraussetzungen erfüllt sind, also I und U und B. Ohne das Gefühl der Benachteiligung kein Konflikt. Betrachten wir diesen Zusammenhang noch einmal anhand des Autobeispiels.
Fall 1: Kein Konflikt, wenn bei einer Interaktion kein Unterschied vorliegt.
In unserem Beispiel: Der Wagen vor dir fährt 95 km/h bzw. annährend so schnell wie du. Du nimmst keinen Unterschied wahr. Alles ist gut – zumindest im Hinblick auf den Straßenverkehr.
Fall 2: Auch kein Konflikt, wenn zwar ein Unterschied vorliegt, dieser jedoch subjektiv klein genug ist.
Übertragen auf unser Beispiel: Der Wagen vor dir fährt zwar etwas langsamer als du, doch dieser Unterschied stellt für dich keine Benachteiligung dar. Ist also irrelevant. Du musst zwar abbremsen, du wirst aber auch mit 80 km/h noch rechtzeitig an deinem Ziel ankommen. Folglich ist der Unterschied beim Tempo kein konfliktauslösender Faktor. Höchstens eine Einschränkung für deine Freiheit, so schnell zu fahren, wie du gerne würdest.
Fall 3: Konflikt tritt ein, wenn der Unterschied groß genug ist.
Der Typ vor dir fährt offensichtlich nur 70 km/h, und es gibt keine Möglichkeit ihn zu überholen. Der Unterschied zwischen deinem „gefühlten" Soll (mindestens 80 km/h, gerne mehr) und dem tatsächlichen Ist (70 km/h) führt zu einem Nachteil für dich: Du wirst zu spät kommen.
Glaubst du zumindest. Und erst jetzt, erst durch deine Bewertung und die Furcht vor unangenehmen Konsequenzen, wird die Interaktion und der Unterschied zu einer Benachteiligung für dich. Und damit zu (d)einem Konflikt: Es ist also nicht der Unterschied (die Geschwindigkeit) an sich, der den Konflikt konstituiert, sondern deine Bewertung des Unterschieds. Als wichtiges Ergebnis halten wir fest: Erst deine (negative) Bewertung gibt dem Unterschied eine (negative) kognitive und vor allem (negativ) emotionale Bedeutung.
Du willst dir das Ganze noch mal in Ruhe anhören? Dafür findest du hier das HÖRBUCH.
- 02_Kap2.1_KonfliktAngebot00:00
Fazit & Ausblick
Das Auto-Beispiel zeigt, dass du stets die Wahl hast: Du kannst den festgestellten Unterschied entweder ablehnen, indem du ihn negativ bewertest, oder ihn akzeptieren, indem du lediglich beobachtest, was ist. Schauen wir uns diese beiden Haltungsoptionen im Vergleich an – auf der einen Seite das „ablehnende Bewerten“, auf der anderen Seite das „neutrale Beobachten“
Nächste Woche geht's weiter mit dem BIBER-Modell. Es beschreibt einen fünfstufigen Reizreaktionsmechanismus, der den Weg von der Erwartung zur Enttäuschung beschreibt.
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